Fragen und Antworten zur Niedersächsischen Nutztierstrategie
Welche Auswirkungen hat das Strategiepapier auf die Arbeit der Landesregierung bzw. des Landwirtschaftsministeriums?
Das Landwirtschaftsministerium hat die Niedersächsische Nutztierstrategie erstellt, um die Zielsetzung der Politik deutlich zu machen und um aufzuzeigen, wo Handlungsbedarf gesehen wird und mit welchen Maßnahmen die Ziele der Strategie umgesetzt werden sollen.
Mit der Arbeit am Tierschutzplan 4.0 werden bereits verschiedene Ansätze der Niedersächsischen Nutztierstrategie verfolgt und umgesetzt. Ergänzt wird dies u.a. durch die Förderung der Modellregion nachhaltige Nutztierhaltung in Südniedersachsen. Die Modellregion soll nachhaltige Haltungssysteme von Nutztieren in der Landwirtschaft etablieren und regionale Wertschöpfungsketten stärken - und zwar von der Herstellung, über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung.
Die Niedersächsische Nutztierstrategie ergänzt und unterstützt die Nutztierstrategie des Bundes. Wenn es allerdings um die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung und natürlich auch die Weiterentwicklung des Bau- und Umweltrechts geht, ist in erster Linie der Bund gefragt. Diesen nehmen wir in die Pflicht.
Wozu eine Nutztierstrategie für Niedersachsen?
Die Landesregierung bekennt sich klar zur Nutztierhaltung. Aber die Gesellschaft hat gestiegene Erwartungen an die Nutztierhaltung im Hinblick auf Tierschutz, Ökologie und Klimaschutz, die es zu beachten gilt.
Für die Landwirtinnen und Landwirte beginnt hier das Dilemma: Sie würden gerne den Forderungen nachkommen, bekommen diese aber am Markt bei weitem nicht honoriert. Sie wissen nicht, ob sie für die notwendigen Veränderungen der Stallgebäude überhaupt eine Baugenehmigung bekommen; sie müssen ihre Familien ernähren, arbeiten 365 Tage im Jahr und erzielen Preise wie vor 30 Jahren. Die Landwirtschaft braucht also Perspektiven.
Diese Perspektiven werden durch die Landesregierung u. a. durch die Niedersächsische Nutztierstrategie eröffnet (siehe auch: Niedersächsischer Weg und Niedersächsische Ackerbau- und Grünlandstrategie).
Dazu kommen die Empfehlungen der sogenannten Borchert-Kommission auf Bundesebene, an deren Erarbeitung Niedersachsen maßgeblich beteiligt war und deren Umsetzung uns ein wichtiges Anliegen ist. Die Federführung für die Umsetzung des Borchert-Papiers liegt beim Bund. Entscheidend ist vor allem ein verlässliches Finanzierungskonzept, das Landwirtinnen und Landwirten für den Umbau der Tierhaltung brauchen. Im Bundesrat setzt sich die Landesregierung natürlich für die Interessen Niedersachsens ein, beispielsweise mit der Bundesratsinitiative zur Tierwohlabgabe.
Welche Weichenstellungen für die Tierhaltung sind zu erwarten?
Die Nutztierhaltung wird zukünftig anders aussehen, um die Anforderungen der Gesellschaft nach mehr Klima- und Umweltschutz sowie mehr Tierwohl zu erfüllen. Dabei werden unsere Landwirtinnen und Landwirte nicht im Stich gelassen, denn die Mehrleistungen für die Gesellschaft müssen honoriert werden.
Die Niedersächsische Nutztierstrategie setzt darüber hinaus u. a. auf den Ausbau der Innovationsführerschaft und den technischen Fortschritt, um so Ökonomie, Ökologie und Tierwohl besser zu vereinen.
Höhere Tierwohlstandards müssen definiert und für Verbraucherinnerinnen und Verbraucher erkennbar gemacht werden. Höhere Tierwohlstandard müssen angemessen honoriert werden, und zwar verlässlich und unbürokratisch. Dies ist der Kern des Konzepts der Borchert-Kommission. Niedersachsen unterstützt dieses Konzept.
Unbestritten ist jedoch, dass Änderungen im Bau- und Umweltrecht erforderlich sind. Sonst ist ein tiergerechter Umbau der Ställe in Niedersachsen nicht möglich. Neben einem verlässlichen Finanzierungskonzept zur Umsetzung der Empfehlungen der Borchert-Kommission, aber auch der Niedersächsischen Nutztierstrategie ist auch die Weiterentwicklung des Bau- und Umweltrechts entscheidend für den Erfolg aller Bemühungen
Wird der Abbau der Tierbestände in den viehdichten Regionen befürwortet?
Dies ist kein Ziel des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Allerdings muss man davon ausgehen, dass die Umsetzung des Konzepts der Borchert- Kommission sowie ordnungsrechtliche Vorgaben, etwa aus dem Bereich des Düngerechts, Reduktionen der Tierzahlen zur Folge haben werden. Es ist in jedem Fall das Ziel des ML, die Wertschöpfung im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung insgesamt zu erhöhen, um den Betrieben gleichbleibende Einkommenschancen zu eröffnen, den Strukturwandel in der Nutztierhaltung nicht weiter zu beschleunigen und einem Strukturbruch entgegenzuwirken. Grundsätzliches Ziel ist es jedoch, die Zahl der Tierplätze in den Betrieben möglichst aufrecht zu erhalten und dafür zu arbeiten, dass An-, Um- oder Neubauten für mehr Tierwohl auch realisiert werden können.
Wie soll konkret die Tierhaltung in vieharmen Regionen gestärkt werden?
Das ML strebt die Stärkung einer gesellschaftlich akzeptierten landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in vieharmen Landesteilen an. Hier soll gezeigt werden: Niedersachsen ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ Agrarland Nr. 1.
Dazu dienen u.a. die in Südniedersachsen eingerichtete „Modellregion nachhaltige Nutztierhaltung“. Sie hat die Umsetzung gesellschaftlich akzeptierter, tiergerechter und flächengebundener Formen der Nutztierhaltung zum Ziel.
Tiergerechte Neu- und Umbauvorhaben von Ställen werden aus Mitteln des Agrarinvestitionsförderungsprogramms (AFP) gezielt gefördert. Flankierend werden Initiativen zum Aufbau und zur Stärkung regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen finanziell unterstützt, z. B. im Rahmen des Förderprogramms „Verarbeitung und Vermarktung“ oder der Richtlinie „Absatzförderung“. Diese Fördermaßnahmen können Betriebe in Viehdichten wie auch in vieharmen Regionen in Anspruch nehmen.
Daneben ist entscheidend, die Rahmenbedingungen einschließlich der gesetzlichen Vorgaben an die Erfordernisse kleiner und mittlerer Schlacht- und Zerlegebetriebe anzupassen, um sie zu entlasten und im Wettbewerb nachhaltig zu stärken. Hierzu ist zusammen mit anderen Bundesländern sowie dem Bund ein umfassendes Konzept zu erarbeiten.
Warum soll die Tierhaltung in vieharmen Regionen gestärkt werden?
Landwirte und Bevölkerung in vieharmen Regionen sind – manchmal schon seit Jahrzehnten – nur noch sehr eingeschränkt in Kontakt mit der Tierhaltung gekommen. Trotzdem gibt es einige erfolgreich umgesetzte Stallneubauvorhaben in vieharmen Regionen. Das sind dann meist eher kleinere Vorhaben, die in vielerlei Hinsicht den Erwartungen der Bevölkerung besser gerecht werden als die Stallbauvorhaben, die typisch für unsere Veredlungsregionen sind.
Die finanzielle Begleitung sogenannter „Modellregionen nachhaltige Nutztierhaltung“ (s.o.) ist ein erster Schritt zur Stärkung der Tierhaltung in vieharmen Regionen. Langfristiges Ziel dieser Modellregionen ist die Umsetzung gesellschaftlich akzeptierter, besonders tiergerechter und flächengebundener Formen der Nutztierhaltung. Was sich daraus im Einzelnen ergibt, wird die wissenschaftliche Studie zeigen, die parallel dazu angefertigt wird.
Tatsache ist: Der Wunsch nach mehr Regionalität und nach mehr Identifikation mit dem Produkt ist da. Das zeigt auch die zunehmende Zahl der Mobilställe für Hühner, die immer mehr Nachfrage erfahren. Auch deshalb sind wir sicher: Wenn die entsprechenden Modellregionen gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren vor Ort etabliert werden können, wird auch der Rückhalt für die Tierhaltung in vieharmen Regionen wieder wachsen, bei den Landwirten genauso wie bei der Bevölkerung.
Hat das Land die Kompetenz, die gesetzlichen Erfordernisse für „kleine Schlacht- und Zerlegebetriebe“ anzupassen, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken?
Die bekannten Wettbewerbsnachteile kleiner und mittlerer Schlacht- und Zerlegebetriebe, die sich aus verschiedenen rechtlichen Anforderungen ergeben, können auf Landesebene nicht umfassend beseitigt werden. Hierzu sind gemeinsame Anstrengungen des Gesetzgebers auf Bundes- und EU-Ebene erforderlich, für die sich Niedersachsen einsetzen wird.
Im Bereich der investiven Förderung werden, sofern Bedarfe angemeldet werden, kleinere, handwerkliche Schlachtbetriebe in den durchzuführenden Auswahlverfahren besonders berücksichtigt; die entsprechende Förderrichtlinie wurde gerade in diesem Sinne angepasst.
Welche Größenordnungen sind gemeint bei den kleineren Schlacht- und Zerlegebetrieben?
Hierbei wird auf die aus dem Förderrecht bekannten Grenzen abgezielt; Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind in der EU-Empfehlung 2003/361 definiert. Danach zählt ein Unternehmen zu den KMU, wenn es nicht mehr als 249 Beschäftigte hat und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Millionen Euro aufweist.
Viele Betriebe werden aber noch weit unterhalb dieser Größenschwellen liegen. Der Landtag hat im Rahmen der Plenumssitzung am 28. Januar 2021 über die Möglichkeiten der Stärkung der regionalen Fleischvermarktung durch die dezentrale und mobile Schlachtung diskutiert. Auf EU-Ebene ist aktuell eine Rechtsänderung vorgesehen, wodurch die mobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb ermöglicht werden soll. Diese Form der Schlachtung in einer zum Schlachtbetrieb gehörenden mobilen Einheit stellt gerade für kleine Schlachtbetriebe eine Ergänzung der Arbeits- und Angebotsmöglichkeiten dar und trägt dem gesellschaftlichen Wunsch nach Vermeidung von Tiertransporten und tiergerechter Schlachtung in besonderer Weise Rechnung.
Ist der „Runde Tisch“ in viehdichten Regionen bereits etabliert?
Der „Runde Tisch landwirtschaftliches Bauen – Genehmigungsverfahren“ ist bereits eingerichtet. Gemeinsam mit dem Bauminister soll der Dialog zwischen Landwirtschaft, den Landkreisen mit hoher Viehdichte und dem Land- und Ernährungswirtschaft verstärkt werden.
Oberstes Ziel ist es, die Planungs- und Genehmigungsprozesse zu unterstützen und alles dafür zu tun, dass der tiergerechte Umbau von Ställen möglich wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die aktuell für den tiergerechten Umbau der Sauenhaltung zur Verfügung gestellten Gelder des Bundesprogramms für den Stallumbau auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können.
Mit der Siebten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) wurde das Tierwohl in der Sauenhaltung maßgeblich verbessert. Das ML hat in Abstimmung mit dem Umweltministerium einen Erlass herausgegeben, damit in der Sauenhaltung
- die verbesserten Haltungsbedingungen im Interesse des Tierwohls möglichst schnell in der Praxis Anwendung finden,
- die Genehmigungsverfahren für Tierställe bei der Sauenhaltung vereinfacht werden
- und die Förderung der Stallumbauten durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ermöglicht wird.
Doch nicht in allen Fällen wird ein tiergerechter Umbau der Stalleinrichtungen ohne Weiteres möglich sein. Die derzeit geltenden Rahmenbedingungen des Bau- und Immissionsschutzrechts des Bundes werden in den Regionen mit viel Tierhaltung oftmals einer Genehmigung der Umbauten entgegenstehen, auch wenn diese zur Umsetzung eines verbesserten Tierwohls erfolgen. Daher ist es für die Zukunft der Tierhalter in Niedersachsen von existenzieller Bedeutung, dass der Bund das Fachrecht anpasst und tiergerechte Umbauten von Ställen ermöglicht.
Wer wird künftig den jährlichen Bericht zur Nutztierhaltung erstellen?
Das ML legt ab 2021 nach dem Vorbild des Nährstoffberichts einen regelmäßigen Bericht zur Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Niedersachsen vor. Dieser Bericht wird unter Federführung des ML erstellt sowie der Öffentlichkeit präsentiert.Artikel-Informationen